Unter volkswirtschaftlichen Aspekten ist das Humankapital ein wichtiger Produktionsfaktor. Die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsfähigkeit der Unternehmen, die aus dem Wissen und Können ihrer Mitarbeiter erwachsen, generieren den Wohlstand in Deutschland. Für die Menschen bestimmen der Bildungsstand und die beruflichen Kompetenzen die Möglichkeiten, auf dem Arbeitsmarkt tätig und langfristig erfolgreich zu sein, Einkommen zu erwirtschaften, persönliche und soziale Bedürfnisse zu erfüllen sowie am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.

Angesichts des technischen Fortschritts, der neue Produktions- und Herstellungsverfahren ermöglicht, des demografischen Wandels, der mit längeren Lebensarbeitszeiten einhergeht, und der Globalisierung, in deren Zuge Einfacharbeit in Länder mit geringerem Lohnniveau verlagert wird, gewinnt die Ausbildung von qualifizierten Fachkräften an Bedeutung. Die innovativen Anforderungen an Schulen und Ausbildungsbetriebe im Bereich der Digital- und Automatisierungstechniken wachsen permanent und können nicht immer flächendeckend und zeitnah den Anforderungen folgen. Das liegt zum Einen an der Beschaffungslogistik und zum Anderen an den Weiterbildungen für das Lehr- und Ausbildungspersonal. Um den Anschluss an die digitalen Herausforderungen halten zu können, müssen vielfältige Innovationen in schulischer und beruflicher Ausbildung umgesetzt werden. Ein Weg dem Tempo der Entwicklungen standzuhalten ist die Stärkung im Bereich Übergang von Schule zum Beruf. Der Abgleich von Wirtschaftsdaten und Arbeitsmarktdaten unter Berücksichtigung des demografischen Wandels lassen erkennen, dass ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche Zukunftsbewältigung in der Effizienz der Qualifizierung des gesamten Nachwuchses liegt. Mithin müssen auch junge Menschen, die bisher wenig Chancen auf qualifizierte Arbeits- und Ausbildungsplätze hatten, unbedingt integriert werden. Die Corona-Pandemie zeigt deutlich, welche Anstrengungen noch ausstehen, um nicht zuletzt bei künftigen Krisen angemessene Wirtschaftsleistung aufrecht erhalten zu können.

In einer idealen Welt fragen Individuen und Unternehmen die optimale Menge Bildung nach. Aufgrund der Besonderheiten des Guts als Erfahrungsgut und aufgrund von Marktunvollkommenheiten – Nichtbeleihbarkeit auf dem Kapitalmarkt, externe Effekte, Informationsasymmetrien – kann es jedoch zu Marktversagen kommen, welches mit einer Unterinvestition in Bildung einhergeht und eine öffentliche Finanzierung oder Bereitstellung von Weiterbildung rechtfertigen kann1. (1 Vgl. Seyda, S., Walosek, L., & Zibrowius, M. (kein Datum). Keine Ausbildung - keine Weiterbildung. Köln: Institut der deutschen Wirtschaft Köln Medien GmbH. doi:ISBN 978-3-602-45612-3)

Häufig werden positive externe Effekte als Ursache für Marktversagen angeführt2(2 Vgl. Haushek, E. A. (2002). Publicly Provided Education (Bd. 4). (Auerbach, Alan, Feldstein, & Martin, Hrsg.) Amsterdam, S. 2045-2141) Positive externe Effekte liegen vor, wenn der gesamtwirtschaftliche Nutzen eines Guts den individuellen Nutzen übersteigt. Der Gesamtnutzen wird regelmäßig vom Individuum unterschätzt, wodurch die am Markt erzielte Allokation die gesamtwirtschaftlich optimale Menge unterschreitet. Während der Nutzen von Weiterbildung, der sich in höherer Produktivität und damit höherer Entlohnung äußert, internalisiert wird, ist ein durch Weiterbildung hervorgerufener höherer Bildungsstand zusätzlich mit einer Reihe weiterer Faktoren korreliert, die mit positiven Effekten für die Gesellschaft verbunden sind (besserer Gesundheitszustand, höhere gesellschaftliche Partizipation, geringere Kriminalität etc.).

 

Herausforderung Fachkräftemangel

Kleinbetriebe mit weniger als 10 Beschäftigten stellen bundesweit rund die Hälfte der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze. Dabei sind gerade solche Kleinbetriebe von der Problematik der Überalterung durch rentenbedingtes Ausscheiden älterer Beschäftigter betroffen. Insbesondere Betriebe aus den Engpassberufen sind dadurch mittelfristig von der Aufgabe der Tätigkeit betroffen, weil sie die notwendigen Auftragskapazitäten nicht mehr erfüllen können. Der Anteil in Nordrhein-Westfalen liegt dabei über dem Bundesdurchschnitt. Hier ist in den nächsten Jahren mit einem weiteren Anstieg des Personalengpasses zu rechnen. Es muss davon ausgegangen werden, dass fehlender Fachkräftenachwuchs und die gestiegenen Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeiter im Zuge der Digitalisierung und Automatisierung die Marktchancen kleiner Betriebe weiter verschlechtert. Größere KMU werden versuchen die Nachfragekluft durch Kapazitätserweiterung aufzufangen, werden aber aus dem gleichen Grund, wie die aufgebenden Kleinstbetriebe, ihre Kapazitäten kaum (fehlender Fachkräftenachwuchs), erhöhen können. Vor dem Hintergrund kleiner Auftragsvolumen werden größere KMU nur schwer die Nachfrage bedienen können, da ihre Produktions- bzw. Dienstleistungsprozesse auf größere Kapazitäten optimiert wurden (Serienproduktion, Großbauprojekte usw.). Dieser negative Effekt wirkt sich auf die immer weiter individualisierte Nachfrage, z.B. die private Infrastruktur usw. mit rückläufiger Dienstleistungs- und Produktionskapazität aus. Letztlich werden dadurch höhere Marktpreise, wegen der kaum zu befriedigenden Nachfrage, entstehen. 

Gering qualifizierte Menschen über 25 Jahren mit multiplen Defiziten und geringen bzw. keinem Schulabschluss, deren Zugang zum normalen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt schwierig ist, stehen beim Abbau des Fachkräftemangels im Fokus. Diese Menschen können vor dem Hintergrund des demografischen Wandels in unserer Gesellschaft wichtige Aufgaben, gerade in den Engpassberufen erfüllen, wenn die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Berufsausbildung durch gezielte Unterstützung gefördert werden. Dabei können individuelle Lehrpläne in Kleingruppen helfen die Defizite zu beseitigen, die sich im Regelunterricht oder innerhalb des Beschäftigungsbetriebes nicht aufarbeiten lassen. Diese Aufgabe muss von einer Motivationsförderung - die eigenen Stärken besser zu erkennen - flankiert werden, um Perspektiven zur beruflichen Orientierung und Integration in den Arbeitsmarkt zu öffnen. Praxisnahe Ausbildungen müssen vielfältige Lernebenen ansprechen, damit Lerngrenzen aufgebrochen werden.